Die Stegstrecker

Vielerorts weiß man über der die Dorfbewohner wunderliche Dinge zu berichten, so auch über diejenigen von Biberach:

stegstrcker

Vorzeiten wollten die Biberacher über den Grindelbach einen neuen Steg bauen.

Der Schulz lachte sich ins Fäustchen, wenn er daran dachte, welche Einsparungen seiner Gemeindekasse der Fleiß der Handwerksleute bringen würde.

Der Tag kam, an dem die Hölzer für den neuen Steg fertig waren und zusammengefügt wurden. Da gab es eine böse Überraschung; zwischen dem letzten Stegloch und dem Bachufer klaffte noch eine fast 8 Schuh breite Lücke.

Man suchte nach der Ursache des Missgeschicks. Schließlich kam der Schulz herbeigeeilt. Als der die Bescherung sah, schrie er nicht, tobte er nicht und fluchte er nicht. Er dachte nur, dass er nun doppelt Gewinn in seiner Gemeindekasse streichen könne, einmal für das fleißige Arbeiten der Handwerksleute und zum anderen für Materialersparnis; denn so dachte er: „Den Steg kann man strecken, wie meine Schulzin den Nudelteig“.

Mit lauter Stimme befahl er alsdann: „Ochsen her! Einschirren!“

Man trieb die schwerfällig trottenden Tiere zum Bach, wo ihre Stränge mit den Zugseilen des Stegs verbunden wurden. Dann ging es los. Die Rücken der armen Tiere krümmten sich unter der Last des Zuges und ihre Beine gruben sich immer tiefer in den Schlamm der Straße. Vergeblich! Der Steg rückte nicht einmal um Daumenbreite von der Stelle. Nach etlichen vergeblichen Versuchen gab der Schulz es auf und schlich mit hochrotem Kopf davon. „D’r Teufel isch a Eichhernle“, pflegte er Ähne allemal zu sagen und meinte damit, dass nichts schneller in der Leute Munde kommt, als Dummheiten und Schwierigkeiten, die sie nicht wissen sollen.

Die Wahrheit dieses Wortes mussten nun der Schulz und seine Dörfler erfahren. Wenn sie in die Stadt kamen oder in den Nachbardörfern auf der Kirchweih erschienen, wurde ihnen aus sicherer Entfernung nachgerufen: „Stegstrecker!“

Quelle: Interessenkreis Heimatgeschichte